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Jagd auf Kriminelle im Internet

Auch in Datennetzen ist Strafverfolung (im Prinzip) möglich

Das weltweite Datennetz gerät dauernd in die Schlagzeilen: Kinderpornographie, Pädophile, Drogenhandel, Hacking und rassistische Propaganda scheint sich im Internet ungehindert ausbreiten zu können. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich: Die Strafverfolungsbehörden sind mitnichten machtlos. Das Internet bietet ihnen auch neue Fahndungsmöglichkeiten.

Von David Rosenthal

Das Internet ist unter Pädophilen beliebt: Anonym kann mit Gleichgesindten kommuniziert werden, Bilder lassen sich über die Datenleitungen rasch austauschen. 1500 dieser Leute, so schätzt die amerikanische Selbstinitiative Pedowatch, tummeln sich täglich in diversen Chaträumen, den Plauderboxen des weltweiten Datennetzes. Sie sind scheinbar gut vor der Polizei geschützt, reden sich nur über anonyme Pseudonyme an und sind so schnell verschwunden, wie sie gekommen sind.

Wenig Anonymität

Das Bild trügt allerdings. Was viele nicht wissen: Auch bei einer scheinbar anonymen Kommunikation via Internet müssen die beteiligten Rechner voneinander wissen, wo sie sich befinden. Sonst funktioniert der Datenaustausch nicht. Diese Informationen können Fahnder wiederum benutzt, um Täter im Internet rasch und sicher zu lokalisieren.

Das funktioniert selbst in den genannten Chaträumen: Ist die "IP-Adresse" eines Teilnehmers festgestellt, kann damit dessen Provider ermittelt werden. Dieser kann in seinen Logbüchern den Kunden heraussuchen, der zum fraglichen Zeitpunkt mit der genannten IP-Adresse im Netz war. Der "anonyme" Benutzer ist dadurch oft enttarnt. Dasselbe funktioniert zum Beispiel auch bei den angeblich anonymen E-Mail-Diensten. In der Schweiz sind die Provider zudem verpflichtet, ihre Logbücher während sechs Monaten für solche Ermittlungen aufzubewahren.

Verdeckte Ermittlung

Aber auch herkömmliche Ermittlungsmethoden können im Kampf gegen Kriminalität im Netz erfolgreich sein. So hat sich in den USA und Deutschland die verdeckte Ermittlung als recht effizient erwiesen: Polizisten lassen sich im Internet als arglose Kinder von Pädophilen verführen; beim ersten Rendezvous schnappt dann die Falle zu. In den USA haben die Behörden auch begonnen, selbst illegale Ware im Netz anzupreisen, um Abnehmer zu identifizieren. Sind diese im Ausland, werden die Kollegen dort informiert.

Nichtdestotrotz wird auch die Strafverfolgung im Internet mit etlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Sie ist vor allem sehr aufwendig: Wollen Ermittler zum Beispiel die Pädoszene verfolgen, brauchen sie nicht nur Zeit, sondern müssen auch den Szenejargon kennen. Doch Ressourcen stehen kaum zur Verfügung: In der Schweiz hat das Bundesamt für Polizeiwesen bloss zwei Halbtagesstellen dafür, einige wenige Leute hat auch die Bundespolizei. In den für viele Verfahren zuständigen kantonalen Stellen sieht es oft noch schlechter aus; Internet ist dort meist kein echtes Thema.

Universitäten und Internet-Cafés

Ein Hindernis stellt auch die Internationalität des Internet dar. Eine Verurteilung von weltweit operierenden Netz-Tätern ist zwar oft nicht das Problem; selbst wer von der Schweiz aus einen Rechner im Ausland benutzt, etwa für rassistische Publikationen, bleibt hierzulande strafbar. Doch während Private dank Internet von jedem Standort der Welt aus agieren können, enden für die staatlichen Ermittler die Befugnisse an der Landesgrenze.

Einen ausländischen Provider zur Herausgabe von Kundendaten zwingen können hiesige Fahnder zum Beispiel nicht. Das müssen die Behörden vor Ort tun. In der Theorie ist das zwar oft nicht ein Problem, in der Praxis aber aufwendig und zeitraubend. Stellt sich dann heraus, dass ein Täter einen öffentlich zugänglichen Internet-Rechner an einer Universität oder in einem Internet-Café benutzt hat, ist eine Verfolgung ohnehin oft chancenlos, auch im eigenen Lande.

Kampf gegen Kryptographie

Der Einsatz von Kryptographie stellt nach Ansicht der Behörden ebenfalls ein wachsendes Problem dar. Im Internet werden heute eine ganze Reihe von kostenlosen Programmen angeboten, mit denen Täter ihre Daten und Kommunikation vor den Augen der Fahnder verstecken und geheimhalten können. Nach einer Erhebung des US-Justizministeriums stieg die Zahl der Fälle, in den verschlüsselte Daten eingesetzt wurden, von 1996 drei Prozent auf bereits sieben Prozent im letzten Jahr.

Zwar versuchen einige Länder wie die USA, Frankreich und England dem Übel mit Kryptoverboten zu begegnen, doch erwies sich dies bisher als Schlag ins Wasser, der vor allem legale Benutzer von solchen Techniken behinderte. Ohnehin lassen sich auch Täter, die ihre Daten verschlüsseln, oft auf konventionelle Weise überführen. Der Fall eines 36jährigen Kaliforniers, der im Internet 100'000 Kreditkartennummern gestohlen hatte, zeigt es: Zwar verschlüsselte er alle Beweise sicher und gab nur seinen Kunden die Codes dazu. Diese aber waren, zu seinem Pech, vom FBI.

(dr) (August 1998)


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